Wenn Michael Werner an diesem Montag zum ersten Mal an seinem neuen Arbeitsplatz im Bad Neustädter Rathaus Platz nimmt, dann beginnt in der Kreisstadt eine neue Zeitrechnung. Satte 24 Jahre dauerte schließlich die Ära von seinem Vorgänger Bruno Altrichter als Bürgermeister. Nun darf mit Michael Werner ein Nachfolger aus der eigenen Partei (Freie Wähler) den bedeutenden Schreibtisch übernehmen.
„Die Neugier und die Vorfreude sind riesig. Es schwingt aber auch ein dicker Batzen Ehrfurcht mit, schließlich bist du dann Stadtoberhaupt und hast Entscheidungen zu treffen, auf die dich wahrscheinlich vorab nie wirklich einer vorbereiten kann“, beschreibt Werner seine Gefühlslage im Gespräch mit dieser Redaktion kurz vor dem offiziellen Amtsantritt.
Der Realisierungsprozess, es tatsächlich in dieses Amt geschafft zu haben, hält beim 31-Jährigen auch noch rund sieben Wochen nach dem Wahlabend an. Mitte März hatte Werner – auch für sich selbst – überraschenderweise bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht und sich damit gegen die Mitbewerber Christiane Hanshans und Johannes Benkert durchgesetzt. „Es hat nicht einfach ‚Schnipp‘ gemacht. Ich freue mich, dass der Zuspruch und das Vertrauen in mich da ist. Dementsprechend groß ist aber auch der Druck und der Anspruch, dem gerecht zu werden“, erklärt Werner.
Nachdem die Anspannung am Wahlabend (Werner: „Ich dachte, die geht nicht mehr größer, als noch bei der Podiumsdiskussion„) nach den für ihn positiven eintrudelnden Ergebnissen allmählich abfiel, wollte er eigentlich tags darauf jede einzelne Glückwunschnachricht beantworten. „Das war schon überwältigend und das Feedback freut mich. Aber ich musste es dann aufgeben, das war mengenmäßig nicht zu bewältigen“, gibt er zu.
Da der Wahlkampf aufgrund der Corona-Krise und der einhergehenden Ausgangsbeschränkung abrupt beendet wurde, fehlte auch bislang noch die Zeit, diesen Revue passieren zu lassen. „Wir wollen uns aber noch zusammensetzen und durchsprechen, wo wir gut waren und wo es auch noch Verbesserungspotenzial gibt. Dazu fehlt aber eben noch die Rückmeldung aus der Bevölkerung, die aktuell nicht möglich ist“, so Michael Werner. Das wolle er jedoch – sobald es die Zeit zulässt – nachholen. Das gelte auch für den Dank an die Unterstützer während des Wahlkampfes, „um die aufgebaute Gemeinschaft aufrechtzuerhalten.“
Luft nach oben besteht seiner Ansicht nach definitiv bei der mauen Wahlbeteiligung von nicht einmal 52 Prozent: „Da erwarte ich mehr und da haben wir Ausbaupotenzial.“
Neben Momenten des Rückblicks ging der Blick des neuen Bürgermeisters in den vergangenen Wochen jedoch nach vorne und in Richtung Amtsantritt. Werner hatte seinen Resturlaub im alten Job so gelegt, dass er zuletzt fast täglich im Rathaus war, um dort den Tagesablauf und die Aufgaben kennenzulernen. Dabei ging es neben den Themen der einzelnen Abteilungen um bereits angestoßene Projekte, die zu übernehmen sind. „Dass man natürlich am ersten Tag nicht ahnungslos da sitzt“, erklärt Michael Werner.
Hilfe bekommt er dabei von Amtsvorgänger Bruno Altrichter sowie Michael Weiß und dessen Nachfolger Christoph Neubauer vom Hauptamt. „Deren Erfahrungen sind das größte Gut. Die bekommt man nicht einfach mal innerhalb weniger Wochen“, ist er dankbar für die Unterstützung. Auch für die von Tanja Sendner vom Vorzimmer, die ihm einen Ordner als groben Fahrplan erstellt hat.
Man bekomme so insgesamt einen großen Hintergrund zu den einzelnen, auch kritischen, Themen, die in der Vergangenheit öfter mal auf dem Schreibtisch gelandet sind und erfahre, wie in der Vergangenheit damit umgegangen wurde. „Mit der rechtlichen Seite vom Hauptamt kann man sich dann schon sein Bild formen und guter Dinge ins Amt starten“, beschreibt Werner die finalen Vorbereitungen.
Zuversichtlich und voller Vorfreude zeigt er sich auch im Hinblick auf das neue Stadtratsgremium, das an diesem Montag erstmals bei der konstituierenden Sitzung in der Stadthalle zusammenkommt. „Wir haben einen guten Mix von Erfahrenen und Neulingen aus den einzelnen Parteien, sodass wir einen funktionierenden und starken Stadtrat für die kommenden sechs Jahre haben werden“, ist sich Michael Werner auch nach ersten fruchtbaren Gesprächen mit den Fraktionssprechern sicher.
Diskussionsfreude könnte aufgrund der Tatsache entstehen, dass sich mit der FDP und der Neuschter Liste die Anzahl der verschiedenen Parteien am Ratstisch auf sechs erhöht hat.
Was Michael Werner das erste große Anliegen ist, wenn er offiziell im Amt ist? „Ich will sukzessive die einzelnen Abteilungen mit deren Aufgaben durchgehen und die Persönlichkeiten kennenlernen. Das ist ganz wichtig, um im täglichen Geschäft kurze Wege gehen zu können und damit ich gleich weiß, wohin ich mich bei Fragen wenden kann.“
Noch bevor er jedoch an diesem Montag das erste Mal im Rathaus an seinem neuen Schreibtisch Platz nimmt, hat der frischgebackene Bad Neustädter Bürgermeister aber noch einen anderen, ganz speziellen Termin, über den er sich glücklich zeigt: „Um 7.30 Uhr sitze ich erst einmal mit Mundschutz beim Friseur meines Vertrauens.“
Artikel von Christian Hüther erschienen am 03. Mai 2020 in der Rhön und Saale Post