Sehr geehrter Herr
Bürgermeister,
liebe Stadtratskolleginnen
und -kollegen,
sehr geehrte Vertreter aus
der Verwaltung und der Presse,
liebe Gäste,
meine Erfahrung aus dem letzten Jahr war, dass sich die Haushaltsreden der Fraktionssprecher/-
innen und meine eigene Stellungnahme in vielen Zügen ergänzt haben und häufig inhaltlich
wiederholten. Daher möchte ich heute für mich einen anderen Ansatz wählen und nur kurz auf die
Eckdaten des Haushaltes eingehen, um dann gezielt „per Scheinwerfer“ einzelne Themen und
Schlagworte aus dem Haushaltsjahr 2022 und dem weiteren Finanzplanungszeitraum zu
kommentieren.
Die Eckdaten des Haushaltes 2022 sind:
• ein Verwaltungshaushalt mit 60,8 Mio. EUR
• ein Vermögenshaushalt mit 39,6 Mio. EUR
• ein Gesamtvolumen mit 100,4 Mio. EUR
Konsolidiert betrachtet – also ohne interne Verrechnung bzw. Zuführungen vom Vermögenshaushalt
und kalkulatorische Kosten – umfasst der diesjährige Haushalt ein Gesamtvolumen von 77 Mio. EUR
und entspricht somit dem Zweitgrößten der Stadtgeschichte.
Das auffallend hohe Defizit im Verwaltungshaushalt i.H.v. 17,3 Mio. EUR ist aus meiner Sicht deshalb
nicht besorgniserregend, da es auf einmalige Sondereffekte zurückzuführen ist. Diese sind:
1. eine veranschlagte Gewerbesteuerrückerstattung i.H.v. 8,0 Mio. EUR, die das diesjährige
Gesamtgewerbesteuereinkommen der Stadt deutlich negativ beeinflussen wird
2. eine erwartete signifikante Mehrbelastung bei der Kreisumlage um rd. 8,2 Mio. EUR
3. eine weitere Zusatzbelastung des Verwaltungshaushaltes aus zu leistenden Erstattungszinsen
i.H.v. 7,5 Mio. EUR (nach § 233 der AO) im Zusammenhang mit den bekannten
Gewerbesteuerrückerstattungen aus 2021 bzw. 2022
Ausgeglichen wird das Defizit des Verwaltungshaushaltes durch Zuführung aus dem
Vermögenshaushalt und lässt dort – in der Verbindung mit den vorgesehen Neuinvestitionen i.H.v.
21,6 Mio. EUR – nahezu sämtliche Rücklagen auf rd. 530 TEUR abschmelzen und bedingt gleichzeitig
eine geplante Darlehensaufnahme i.H.v. 7,6 Mio. EUR, wodurch sich die Darlehensverbindlichkeiten
dann per Ende 2022 auf ca. 15,5 Mio. EUR belaufen würden.
Die vorgelegte Finanzplanung der Kämmerei für den Haushalt 2022 berücksichtigen aus meiner Sicht
die vielen Unwägbarkeiten, die mit dem Krieg in der Ukraine und den heute noch nicht absehbaren
Folgen einhergehen. Die Zahlen sind vorausschauend und teils vorsichtig gewählt worden, möglichen
Chancen und Risiken im Finanzplanungszeitraum werden entsprechend Rechnung getragen.
Wie angekündigt möchte ich nun einzelne Themen und Schlagworte kommentieren, die mir und
auch der Fraktion der Freien Wähler Bad Neustadt bei den diesjährigen Haushaltsberatungen wichtig
waren und die wir deshalb heute für erwähnenswert halten.
Schlagwort „Haushaltsausgabereste“
Eine Fülle von Investitionsmaßnahmen und Projekten, die zwar beschlossen und angefangen wurden,
aber bis heute nicht abgeschlossen sind, blähen den Haushalt 2022 mit zusätzlichen fast 29 Mio. EUR
auf. Diese Haushaltsausgabereste sind gebundene Gelder, also bereits rechnerisch ausgegeben, aber
liquiditätsmäßig noch nicht abgeflossen. Trotzdem können sie nicht für zukünftige Wünsche
herangezogen werden. Zusammen mit den geplanten Neuinvestitionen von rd. 21,6 Mio. EUR führen
die vorhandenen Haushaltsausgabereste zu einem Rekordinvestitionsvolumen von rd. 50 Mio. EUR.
Diese Rekordsumme und hier zitiere ich unseren Kämmerer Andreas Schlagmüller:“ wird eine
weitere Verbesserung der städtischen Infrastruktur ermöglichen.“ Die Möglichkeiten seitens der
Verwaltung alle diese Maßnahmen – wie in der Vergangenheit geschehen – auch abarbeiten zu
können, setze ich hierbei voraus. Auf die mögliche Gefahr, sich in zu vielen Projekten zu verstricken
und auch kurzfristig entstehenden Anforderung im laufenden Betrieb nicht mehr nachkommen zu
können, möchte ich trotzdem hinweisen und bitte hierbei um Augenmerk.
Passend dazu das nächste Schlagwort aus den Haushaltsberatungen 2022 – „Darlehensaufnahme“
Erste Feststellung: Dank einer hohen Steuerkraft und daraus entstandener Rücklagen konnten in den
letzten Jahren viele Investitionen in Bad Neustadt ohne eine Kreditaufnahme finanziert werden und
waren so auch nicht Inhalt bei Haushaltsberatungen in der jüngeren Vergangenheit.
Zweite Feststellung: Die für 2022 geplante Darlehensaufnahme i.H.v. 7,5 Mio. EUR ist schlussendlich
nur notwendig, weil Haushaltsausgabereste aus vergangenen Haushalten und die Neuinvestitionen
2022 insgesamt 50 Mio. EUR binden, wovon definitiv nicht alle enthaltenden Maßnahmen zeitnah
fertiggestellt werden können. Da aber die Gegenfinanzierung der Investitionsausgaben im Sinne der
Kameralistik stehen muss, wäre eine Darlehensaufnahme notwendig, obwohl kassentechnisch sicher
nicht gebraucht.
Mit diesem Hintergrund halte ich eine Darlehensaufnahme im laufenden Haushaltsjahr für sehr
unwahrscheinlich, denn wie gerade erläutert, werden von den vorgesehenen 50 Mio. EUR
Investitionsvolumen am Ende des Jahres wieder viele Finanzmittel nicht verbindlich abgerufen
worden sein.
Stichwort Investitionsvolumen – ich komme zum Thema „Umbau Alte Amtskellerei“
Dir mir zuletzt bekannten Baukosten für das angedachte „Leuchtturmprojekt“ der Stadt Bad Neustadt
belaufen sich auf rd. 16 Mio. EUR. Wie belastbar diese Zahl aus den Planungen vor dem aktuellen
Hintergrund massiver Preissteigerungen im Bausektor wirklich ist, vermag ich nicht zu beurteilen.
Auch wie hoch eine mögliche Förderung des aufwändigen Bauprojekts zugunsten der Stadt in den
kommenden Jahren ausfallen kann und wann diese tatsächlich fließen würde, kann heute noch nicht
beantwortet werden.
Die drängendste Frage in diesem Zusammenhang, die sich für mich und die Fraktion der Freien
Wähler in den Haushaltsberatungen gestellt hat, war: Was bewegen wir im aktuellen Haushaltsjahr
tatsächlich für den vorgesehenen Umbau der Alten Amtskellerei an Summen und welche
Verpflichtungen gehen wir heute ein?
Die Antwort darauf: Im Haushalt 2022 sind Aufwendungen i.H.v. TEUR 400 an Planungskosten für das
noch auszuwählende Projektplanungsbüro im VGV-Verfahren (Leistungsstufe 1 und 2) eingestellt.
Das Gesamtvorhaben ist somit weiterhin noch in der Planungs- und nicht in der Umsetzungsphase
und könnte, sofern notwendig, jederzeit gestoppt bzw. zeitlich verschoben werden. Denn die
angemeldeten Mittel für den Finanzplanungszeitraum ab dem Jahr 2023 ff. ist lediglich eine
Absichtserklärung und keine Zusage an die Verwaltung. Die Freien Wähler unterstützen diesen
nächsten Schritt in der Projektplanung, um belastbare Zahlen für eine zukunftsweisende
Entscheidung für Bad Neustadt zu erhalten.
Ein weiterer Gedanke zielt auf die „Gewerbeflächen“ in Bad Neustadt
Positiv: Die Grundstücke im neuen Gewerbegebiet „Am Altenberg“ konnten nach Erschließung in
kürzester Zeit an Gewerbetreibende in Bad Neustadt verkauft werden.
Negativ: Aktuell besitzt die Stadt Bad Neustadt keine wesentlichen freien Gewerbeflächen mehr und
muss anfragende Firmen und Unternehmer vertrösten.
Für die Freien Wähler müssen die Investitionen in den Ausbau unserer Gewerbeflächen dringend
weiter vorangetrieben werden, da nach Verkauf und Ansiedelung von Betrieben mittelfristig
Überschüsse im städtischen Verwaltungshaushalt entstehen und weitere positive Effekte folgen.
Ein Schwenk hin zur Tourismus und Stadtmarketing GmbH
Der Beitrag von Geschäftsführer Herrn Leber vor wenigen Wochen hier im Stadtrat über die
Tätigkeiten der Tourismus und Stadtmarketing GmbH war für mich aufschlussreich und empfand ich
als sehr treffend analysiert. Herr Leber hat aufgezeigt, dass wir in der GmbH viele motivierte
Mitarbeiter haben, die einen großen „Blumenstrauß“ an Aufgaben erfüllen sollen. Hierbei fehlt mir
persönlich der Fokus in Puncto Definition der Ziele und der Ausrichtung der GmbH.
Bei der Entwicklung der Zuschüsse ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein klarer Trend erkennbar.
So betrug der Zuschuss der Stadt an die TS GmbH für den lfd. Betrieb im Haushaltsjahr 2010 noch 171
TEUR. Für das Jahr 2022 sind 524 TEUR – ohne Kosten für das Stadthallenmanagement – eingestellt.
Wie viel Mehrwert aus den zusätzlich zur Verfügung gestellten Mitteln für die Stadt Bad Neustadt im
Bereich Tourismus und Marketing hierdurch geschaffen werden kann, muss gesondert und im
Rahmen der Verwaltung und des Stadtratsgremiums zukünftig genauer betrachtet werden, so die
Ansicht der Fraktion der Freien Wähler Bad Neustadt.
Letztes Schlagwort „Kreisumlage“
Ich muss in dieser Stellungnahme zum Haushalt auch auf die Kreisumlage zu sprechen kommen. Zur
Einordnung hierzu folgende Zahlen:
• Steuereinnahmen der Stadt Bad Neustadt 2012: rd. 20,8 Mio. EUR
• Steuereinnahmen der Stadt Bad Neustadt 2022: rd. 27,9 Mio. EUR
• gesamtes Kreisumlageaufkommen des Landkreises Rhön-Grabfeld 2012: rd. 27,3 Mio. EUR
• gesamtes Kreisumlageaufkommen des Landkreises Rhön-Grabfeld 2022: rd. 50,8 Mio. EUR
Der Landkreis Rhön-Grabfeld kann im Haushaltsjahr 2022 auf noch nie dar gewesene Einnahmen aus
der Kreisumlage i.H.v. 50,8 Mio. EUR zurückgreifen, wovon die Stadt Bad Neustadt rd. 17,8 Mio. EUR
tragen wird. Das gesamte Kreisumlageaufkommen entspricht einer nochmaligen Steigerung ggü. dem
Vorjahr von 8,8 Mio. EUR, wobei hiervon rd. 6,5 Mio. EUR über den kommunalen Finanzausgleich
weitergereicht bzw. dem Landkreis Rhön-Grabfeld abgeschöpft werden.
Aus der Presse war kürzlich die Ankündigung einer neuerlichen Erhöhung der Kreisumlage zu
entnehmen, die mit der Erwartung sinkender Steuereinnahmen begründet und deshalb für
erforderlich angesehen wird. Ich sehe diese Ankündigung insofern kritisch, dass man beim Landkreis
in zuletzt starken Jahren mit hohem Aufkommen dank gestiegener Steuereinnahmen die Kreisumlage
eben nicht gesenkt hat, sondern die Umlage auf einem sehr hohen Niveau beließ. Die Begründung
für die angekündigte Erhöhung ist deshalb für mich nicht schlüssig.
Zum Ende meiner Stellungnahme noch ein Ausblick und unser Fazit:
Der sukzessive Aufbau von weiteren Verbindlichkeiten über Darlehensaufnahme in den kommenden
Jahren ist wohl allgemein vorherzusehen. Hierzu müssen auch die Überschüsse aus zukünftigen
Verwaltungshaushalten den Schuldendienst tragen können oder anders ausgedrückt, muss die
Finanzkraft der Stadt Bad Neustadt in einem gesunden Verhältnis zu den kreditfinanzierten
Investitionen stehen. Hierauf werden die Freien Wähler Bad Neustadt achten.
Es gilt zu bedenken, dass viele der bereits angestoßenen oder vorgesehenen Investitionen, wie die
Erweiterungen oder Neubauten von Schulen, Horten und Kindergärten sowie kultureller
Einrichtungen auch zukünftige Verwaltungshaushalte in Unterhalt und Personal belasten werden. Vor
dem Hintergrund massiv steigender Energiepreise, ist davon auszugehen, dass die Unterhaltung
stadteigener Gebäude aus finanzieller Sicht nicht leichter wird. In diesem Zusammenhang verweise
ich auf geplante Investitionen von rd. 60 Mio. in den Haushaltsjahren ab 2023 bis 2026 und empfehle
einen Blick auf bestehende Einrichtungen mit dem größten Defizit in der Stadt Bad Neustadt.
Ich möchte anregen, bei zukünftigen Investitionsmaßnahmen im Hochbau bereits in der
Planungs-und Entscheidungsphase auf entstehende Unterhaltskosten einzugehen und erwartete Defizite aus
dem laufenden Betrieb zu mindestens grob zu skizzieren. Das Ergebnis kann aufzeigen, ob ein zu
erwartendes jährliches Defizit aus dem Betrieb der neuen Stätte problemlos stemmbar ist oder man
sich hierdurch möglicherweise für gewollte Entwicklungen in der Stadt finanziellen Spielraum und
auch Handlungsfähigkeit in der Zukunft nimmt. Eine solche Praxis gibt dem Gremium die Möglichkeit,
die eigene Entscheidung auf mehr als nur die „kurzfristigen“ Baukosten abzustellen.
Um konkret zu werden, ich persönlich schätze das Defizit des neuen Museums im Frohnhof bei
Betrachtung des umbauten Raumes und der erwarteten Personalausstattung zwischen dem Defizit
der Stadthalle und des Triamares ein. Mein Appell geht daher an die Lenkungs- und
Steuerungsgruppe offen für Ideen zu sein und Gedankenansätze in sämtliche Richtungen zu
erlauben, um bei allen Vorteilen und der Strahlkraft dieses Einzelprojektes seriös über die
Maßnahme im Sinne der Stadt und ohne jegliches politisches Kalkül entscheiden zu können.
Bei allen geäußerten Bedenken, darf ich auch einfach mal sagen, wie gut es sich anfühlt in Bad
Neustadt zu wohnen und zu leben. Der Stadt Bad Neustadt gelingt es aus meiner Sicht schon seit
langem die eigene Nische zwischen dem Industriestandort Schweinfurt, der Kurstadt Bad Kissingen –
mit Prädikat Welterbe und seinen vielen Anziehungspunkten (z.B. Kissalis) – und Meiningen, als
alt-/ehrwürdiger Theaterstandort, zu finden. Das gelingt meiner Auffassung nach vor allem deshalb
sehr gut, weil die Stadt viele gut aufgestellte Unternehmen beheimatet. Wer in Bad Neustadt bei
einem dieser Arbeitgeber seine Stelle antritt, findet ein hohes Niveau an Kindergärten, Schulen und
Horten vor, die dabei auch bezahlbar für jedermann sind. Das macht Bad Neustadt zu einer
arbeitnehmer- und familienfreundlichen Stadt und ich glaube man ist gut damit beraten, die eigenen
Stärken immer wieder herauszustellen und in der Stadtentwicklung gezielt zu fördern. Dazu gehört
dann auch, nicht „überall mitspielen zu wollen“, also die eigene Nische zu verlassen.
Im Namen der Fraktion der Freien Wähler Bad Neustadt möchte ich meinen Dank an die Verwaltung
für die geleistete Arbeit aussprechen – hierfür stellvertretend an unserer Kämmerer Herrn
Schlägmüller. Auch möchte ich mich bei allen weiteren Akteuren für das faire Miteinander während
der Vorberatungen zum Haushalt 2022 und die offene Diskussionskultur dort bedanken.
Wir, die Fraktion der Freien Wähler stehen hinter diesem Haushalt 2022!
Ihr
Robert Foidl
Für die Freie Wählergemeinschaft Bad Neustadt